Neues aus der Koloniestraße 10 – Eine Geschichte gegen Verdrängung

Dass der Kampf gegen Verdrängung nicht immer aussichtslos ist, schildern einige unserer Aktiven in diesem kurzen Bericht:

22.Februar 2019 – Es war soweit, nun sollte Fritz als letzter von 30 Gewerbemietern aus seiner Werkstatt auf dem Historischen Hof der Koloniestrasse10 rausgeklagt werden. Der Gerichtstermin war in ein paar Tagen. Die Kläger: das milliardenschwere Immobilienunternehmen ZBI Invest des Ehepaars Groner aus Erlangen.
Fritz hatte keinen Anwalt, denn er sah rechtlich keine Chance. Er glaubte sich bereits auf der Straße mit einem Berg an Schulden für die Räumung. Und dann noch einen Anwalt bezahlen…? Wie das? Wo sollte er hin? Es gibt nichts Bezahlbares mehr in Berlin.
Doch es sollte anders kommen.
Als ein Nachbar von Fritz’ Gerichtstermin erfuhr, wurde die Hausgemeinschaft Koloniestraße10 informiert und erklärte sich bereit, Fritz zum Gerichtstermin zu begleiten. Gemeinsam hatten sie schon oft Probleme mit den neuen renditegeilen Eigentümern ihres Hauses überwunden.
Check die Lage!
Zunächst ging man gemeinsam durch die Klageschrift.
Nach einiger Recherche fanden sie tatsächlich zwei scheinbar eklatante Fehler in dem Kündigungsschreiben des klagenden Anwalts.
So genügte ein Blick ins Grundbuch beim Grundbuchamt und es stellte sich heraus: die ZBI hatte Fritz gekündigt, bevor sie überhaupt Eigentümerin war! 
Andere GewerbemieterInnen hatten ihre Kündigung widerspruchslos akzeptiert und waren bereits ausgezogen.
Der zweite Fehler war:
Der Anwalt hatte seiner Klageschrift eine Vollmacht der falschen Firma beigefügt. Unglaublich!
Würden diese Fehler die Klage unwirksam machen können?
Waren möglicherweise nicht schon alle Einspruchsfristen verstrichen?
Egal! “Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie!”
Der Anwalt der Hausgemeinschaft Kolonie10 erklärte sich mit diesem ‘Goldenen Pfand’ bereit, den Fall zu übernehmen und Fritz zu begleiten. Yeah!
Termin: Montag 9:15 Amtsgericht Wedding.
Im Sitzungssaal wird zuvor der Fall gegen die Mietergemeinschaft der ‘SteinbergSiedlung’ aus Berlin/Reinickendorf verhandelt. Fritz und die Koloniestrasse10 erklären sich umgehend solidarisch und begleiten die zirka 20 MieterInnen mit ihren roten Schals in den Sitzungssaal. Die Klage gegen sie wird abgewiesen.
Die Richterin bittet die SteinbergmieterInnen den Saal zu verlassen. Diese erklären wiederum ihre Solidarität mit den MieterInnen der Koloniestrasse10 und wollen bis zum Ende der Verhandlung bleiben. Die Richterin ist sichtlich beeindruckt.
Beeindruckt ist sie auch von der Sachlage in der Koloniestrasse10 nachdem sie die Klageschrift verlesen hat, welcher vom Anwalt der Hausgemeinschaft Kolonie10 aus genannten Gründen widersprochen wird.
Die Richterin bittet nun um Vorschläge, zur Einigung.
Fritz wünscht sich so lange in seiner Werkstatt bleiben zu können, bis über die Gebäude, den Hof entschieden ist. Immerhin ginge es um seinen Arbeitsplatz und was nützt es, wenn seine Räume leerstünden. Ein Abriss sei aufgrund des Milieuschutzes eh nicht möglich. Der Anwalt der ZBI ist nicht kompromissbereit und behauptet sogar, eine Abrissgenehmigung läge vor.
Die Richterin sieht keine Möglichkeit der Entscheidungsfindung und vertagt die Verhandlung.
Was für ein Erfolg!
Wir haben Zeit gewonnen!
Wir haben Solidarität gespürt!
Wie hätte die Richterin reagiert, wenn nicht so viele solidarische Menschen im Saal gewesen wären?
Was, wenn Fritz allein gewesen wäre?
Jetzt hat Fritz drei Monate (die Kündigungsfrist!) Zeit gewonnen und vorerst keine Kosten zu tragen.
Als Fritz ein paar Tage später die neue Kündigung im Briefkasten hat, stellen wir fest, dass der Anwalt im Prozess nicht aufgepasst hat, und den exakt gleichen Fehler wiederholt hat!
Nun legt Fritz ganz fix Widerspruch ein und sein Mietvertrag verlängert sich um ein Jahr plus drei Monate (die Kündigungsfrist!)
– In einem Jahr kann viel passieren.
In diesem Fall dürfte der klagende Anwalt nun über sich selbst klagen und das milliardenschwere Immobilienunternehmen ZBI aus Erlangen hat Zeit zum Nasepopeln.
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